Mittwoch, 19. Februar 2014

Smartphones verblöden

Smartphones verblöden. Dieser Satz scheint heutzutage allgegenwärtig zu sein. Jeder Hobbysoziologe hat bereits mindestens einmal festgestellt, dass die "junge Generation" die Smartphonesucht über jegliche interpersonelle Aktivität stellt. Das Problem dabei: hier werden sämtliche Argumente in einen Topf geschmissen. Ich würde gerne einmal aufräumen.

Als Argument wird gerne aufgeführt, dass in der Öffentlichkeit jeder auf sein Handy starrt und lieber Spiele spielt als sich mit seinen Mitmenschen zu unterhalten. Hier kommen gleich zwei Fehler in der Argumentation zusammen: Zum einen die Unterstellung es würden ständig Spiele gespielt und zum anderen das Argument, dass im Gegensatz zu früher die Leute nicht mehr miteinander sprechen.

Erstens: Man ist häufig mit dem Handy beschäftigt, weil man buchstäblich alles damit machen kann. Zeitung lesen, mit Freunden die Abendplanung organisieren, sich nach dem Befinden der Liebsten erkundigen, Dinge einkaufen, Fakten nachschlagen oder eben Spiele spielen. Dass Fluffy Bird auf Dauer den IQ nicht steigert, ist eine Hypothese die man vielleicht sogar belegen könnte. Mehr lässt sich daraus aber nicht ablesen. Genauso wenig gilt das aber fürs aus-dem-Fenster-Schauen oder beim sich-von-dem-Betrunken-über-die-dämlichen-Ausländer-Erzählen-lassen.

Zweitens: Früher war allenfalls das Medium anders. Die Menschen haben in der S-Bahn Zeitung gelesen oder Bücher und sich genauso wenig für die seltsame Frau mit zerzausten Haaren gegenüber interessiert. Und das ist auch voll in Ordnung - eine S-Bahn ist schließlich kein Swingerclub. Wie in einem Fahrstuhl finden sich Menschen zusammen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in die gleiche Richtung müssen und dies aus logistischen Gründen im selben Blechquader tun. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber wo liegt dann das Problem und wo kommt diese aggressive Grundstimmung gegenüber unserer neuen, vernetzten Generation her? Ich denke daher, dass Vielen inzwischen, aus welchen Gründen auch immer, grundlegende Höflichkeitsregeln abhanden gekommen sind; und das wird bei der Nutzung elektronischer Geräte oft besonders deutlich. Beispiel: Wir befinden uns im Jahr 1998. Vier Freunde gehen zusammen zum Essen und sitzen am Tisch. Während Person A sich gerade mit Person B unterhalten will, schiebt diese ein: "Ich muss noch schnell nachsehen, wer in meinem Buch der Mörder ist", zieht besagtes Buch aus der Tasche und vertieft sich in die Lektüre. Unhöflich, oder? Deshalb sollte man in einem solchen Fall genauso wenig das Handy zur Hand nehmen.

Natürlich kann es passieren, dass man wirklich gerade eine wichtige Nachricht beantworten oder ein Treffen verschieben muss. Niemand würde einem dies verbieten wollen - aber ein kurzes "Entschuldigung, ich muss kurz etwas klären" hat noch keinen umgebracht.

Donnerstag, 13. Februar 2014

Ideologischer Mais

Bis vor wenigen Tagen war ich noch entschlossener Genfood-Gegner. Jetzt, nach reiflicher Überprüfung der Fakten, bin ich entschlossener Genfoood-Unentschlossener. Wie kams dazu?

Ich habe in einem Kommentar bezüglich der Entscheidung der Europäischen Kommission den Vorwurf gelesen, jegliche Entscheidung, die sich nicht an Fakten, sondern an den Ängsten der Bevölkerung orientiert, sei reine Ideologie. Soso. Was ist damit gemeint? Dazu gleich mehr. Zunächst ein kurzer Exkurs über Vor- und Nachteile des aktuell in der Zulassung befindlichen Genmais.

Positiv sind zu bewerten, dass durch den Einsatz deutlich weniger Pestizide verwendet werden müssen, da der Mais diese selbst produziert und dadurch viel zielgerichteter einsetzt. Ein Biobauer, der bereits Genmais anbaut(e), meinte, das Genmaisfeld sei von (guten) Insekten geradezu überlaufen im Gegensatz zum pestizidbelasteten konventionellen Feld. Durch die Immunität gegen Schädlinge könnte der Ertrag stark erhöht werden. Und letztendlich passiert in der Gentechnik nichts anderes als durch Mutationen in der Natur an sich und auch in der konventionellen Zucht.

Andererseits gibt es zum einen noch viele unverstandene Effekte im Genom. Es gibt nicht das eine "Resistenzgen", das da ist oder nicht. Es gibt aktive Gene, inaktive Gene und viele Kreuzeffekte, an denen mehrere Gene beteiligt sind. Man kann also kaum ausschließen, dass man mehr hineinzüchtet, als man eigentlich haben wollte. Des Weiteren ist der Genmais, einmal in der Welt, kaum wieder herauszubekommen, Stichwort Pollenflug.

Die Entscheidungstheorie lehrt nun vereinfacht gesagt, dass man allen möglichen Zuständen numerische Werte zuweist, die Nutzen und Gefahren messbar machen. Dann rechnet man die Wahrscheinlichkeit für das eintreten unter den verschiedenen Szenarien mit ein und kommt zu einer rationalen Entscheidung.

Aber wer sagt, dass man dem Mais nicht ausversehen eine Genkombination verpasst hat, die ihm bei Mondlicht Beine wachsen lässt und zum blutsaugenden Monstermais macht? Freilich ist das unwahrscheinlich. Aber falls das eintritt, wäre das schon eher unerfreulich. Klar ist das ein stark überzogenes Beispiel, aber es macht das Problem sehr deutlich: wie gewichtet man Risiken, die zwar höchstwahrscheinlich nicht eintreten, aber wenn sie es doch tun, verheerenden Schaden anrichten?

Daher kommen die Ängste in der Bevölkerung. Gepaart mit dem tiefen Misstrauen in die Politik von Brüssel, den Lobbyismus, die Pharma- und Lebensmittelbranche und die diffuse Angst vor Veränderung. Das sind teilweise durchaus sehr rationale Bedenken, auch wenn sie vordergründig konkret mit dem betreffenden Mais 1507 wenig zu tun haben. Ist es nun ideologische Politik, dem Wählerwillen zu entsprechen und den Anbau zu verbieten?

Hier wird das Versagen der Politik deutlich. Auf der einen Seite die Fehlkonstruktion der EU: ein demokratisch legitimiertes Parlament, das in diesem Fall den Wählerwillen durchsetzten will. Und auf der anderen Seite die sogenannte "Elite", die Regierungschefs, die mit "umgekehrter qualifizierter Mehrheit" [sic], die de facto eine Minderheit von 17:4 ist, den Anbau beschließen. Lobbyistenverbände der beteiligten Unternehmen natürlich sind hocherfreut.

Was wäre bessere Politik?

Wenn die Entscheidung pro Genmais wirklich so rational ist (was durchaus sein mag, ich maße mir inzwischen kein Urteil mehr zu), dann hat sich ein Politiker der Presse zu stellen und der Bevölkerung Vor- und Nachteile zu erklären, um Vorurteile und Ängste abzubauen anstatt über die Köpfe hinweg zu entscheiden.

Und wenn die Bevölkerung nicht auf rationale Argumente reagiert?

Diese Möglichkeit besteht, ist gar nicht so unwahrscheinlich und bei ihrem Eintreten höchst bedauerlich. ABER: Die Politiker sind Volksvertreter und nicht Volkserziehungsberechtigte. Wenn die Angst (die durch entsprechende Gewichtung der Entscheidungsfunktion durchaus rationalisiert werden kann) zu groß ist, hat sich der Politiker nach dem Souverän, dem Volk, zu richten. Jede politische Gemeinschaft sollte über ihre Sache selbst entscheiden können. Nicht irgendwelche Eliten oder Lobby- und Industrieverbände.

Montag, 3. Februar 2014

Die Leiden des alten saebbae

Wer meinen Post letzte Woche gelesen hat, hat, falls er es nicht vorher schon wusste, gelernt, dass ich ein toleranter Mensch bin. Jeder soll machen, was er für richtig hält, solange er keinem anderen damit schadet. Wir haben aber auch gelernt, dass man Dinge trotzdem dämlich finden kann. Deshalb muss ich jetzt schon einmal fragen:

Ernsthaft, Leute?

Der halbe Facebook-Newsfeed besteht aus saufenden Menschen. Das ist an sich für einen Außenstehenden soweit zwar vielleicht zunächst überraschend (oder auch nicht), aber nicht besorgniserregend. Problematisch wird es dann, wenn schneeballsystemmäßig Bekannte zum Mitmachen animiert werden. Das letzte große Schneeballsystem hieß Prokon und hat einen in der S-Bahn um seine Ersparnisse angeschnorrt, aber das nur am Rande. In diesem Fall geht es nicht um Geld, sondern um eine soziale "Währung" - Anerkennung. Genauso wie hartes Geld greift aber hier auch die Inflation - je mehr Leute mitmachen, desto geringer ist der Beitrag, den der Einzelne leistet und dementsprechend geringer der Vorteil, den er daraus ziehen kann. 

Wie gesagt: man darf Dinge doof finden. Ich tue das in diesem Fall. Zum einen ist es zu schade um das Bier, das in unseren Breiten wirklich gute Qualität hat und genossen werden sollte. Zum anderen ist es immer problematisch, andere Menschen zum Alkoholkonsum anzustiften.

Das eigentliche Problem liegt aber ganz woanders: ich habe an mir selbst festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, aus diesem sozialen Muster auszubrechen. Anstatt direkt meinen Mann zu stehen, habe ich das ganze zuerst mit Komilitonen diskutiert, um zu vermeiden, einen zwischenmenschlichen Fauxpas durch eine Verweigerung zu landen. Im Nachhinein sage ich ganz ehrlich - ich schäme mich dafür, das für nötig erachtet zu haben.

Viele Probleme in der heutigen Zeit ließen sich lösen, wenn Menschen sich trauen würden, ihr eigenes Hirn zu nutzen, zu eigenen Schlussfolgerungen zu kommen und diese auch auszusprechen statt permanent nachzuplappern, was ihnen gesagt wird (was viele sagen, wird schon stimmen). In der Gesellschaft haben wir erst dann völlige (Rede-)Freiheit erlangt, wenn jeder sagen kann, was er denkt, ohne Angst zu haben, dafür verurteilt zu werden. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele gute Ideen in der Geschichte untergegangen sein mögen, weil jemand anderes lauter gebrüllt hat.

Mir würde es also sehr am Herzen legen, wenn die Öffentlichkeit sich zwei Regeln zu Herzen nehmen würde:
  • Sagt was ihr denkt und was eure persönliche Meinung ist
  • Wenn jemand anderer Meinung ist, dann diskutiert sachlich statt einer Vorverurteilung. Zumeist kann jeder etwas vom anderen lernen und sein Weltbild dadurch erweitern