Sonntag, 26. Januar 2014

Von Toleranz und Ponyhöfen

Ich habe festgestellt, dass viele Probleme und Missverständnisse in der heutigen Zeit ausgelöst oder verstärkt werden durch die ständige missbräuchliche Verwendung des Wortes "Toleranz". Offensichtlich meinen viele Leute, Toleranz käme von "toll". Wenn man etwas "tolerieren" soll, wird damit dann oft in Verbindung gebracht, dass man etwas toll finden soll.

Überraschung: "Toleranz" kommt vom lateinischen Begriff "tolerare", der so viel bedeutet wie "ertragen, aushalten, erdulden". Also explizit das aushalten von etwas, was ich NICHT toll finde. Beispielsweise toleriere ich es, wenn mein Nachbar morgens um 7 seinen Rasen mäht. 

Wenn also von jemandem verlangt wird, etwas zu tolerieren, dann ist das einfach dahingehend zu verstehen, dass man davon einfach Abstand nimmt und an etwas anderes denkt. Diametral dazu wird heutzutage aber häufig von einem verlangt, dass man sich daran erfreuen und hingebungsvoll mitmachen soll. Das freilich ist viel schwieriger umzusetzen und häufig nicht weniger als eine Zumutung. Und in solchen Situationen entsteht Intoleranz. Weil von Menschen mehr verlangt wird, als sie leisten können.

Der Punkt ist: das Leben ist kein Ponyhof. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich alles, was mich nervt, rosa anmalen und drum herum hüpfen muss. Ich geh einfach dran vorbei und toleriere es. Beispiel aus dem täglichen Leben: Gleichgeschlechtliche Ehen. Ist mir ehrlich gesagt völlig egal wie da jeder einzelne dazu steht. Soll doch jeder tun, was er für richtig hält. Ich will keinen Mann heiraten, aber das gibt mir noch lange nicht das Recht, anderen vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Umgekehrt kann von mir aber auch niemand verlangen, dass ich am Christopher Street Day hüpfend und mit pinkem Slip gekeidet in der ersten Reihe stehe und kreische.

Diese von Gutmenschen häufig begangene Nötigung, alles in den Himmel zu loben, führt genau zum Gegenteil: die Menschen trauen sich nicht mehr, ihre wahre Meinung zu sagen aus Angst, sofort als homophob oder rassistisch abgestempelt zu werden und radikalisieren sich im Stillen. Und dann, wenn der große Knall kommt, sind sie plötzlich alle da. Bissl granteln hat noch keinem geschadet.