Freitag, 20. Juni 2014

Nieder mit der Torlinientechnik

Wie viele andere auch bin ich natürlich aktuell im WM-Fieber. Und wie bei jeder WM wurden auch dieses Mal wieder einige Neuheiten eingeführt. So beispielsweise die Schlagsahne, die die Schiedsrichter nun immer in der Hose mitführen, um sie bei Gelegenheit unartigen Spielern auf über die hässlichen neonfarbenen Schuhe zu sprühen.

Was mich aber wirklich nervt, ist die Torlinientechnik. Nicht die Technik an sich, sie funktioniert gut. Und genau das ist das Problem. Ich hasse, wofür sie steht. Für eine Welt, in der es im Fußball um so viel Geld geht, dass man sich Fehlentscheidungen im wahrsten Wortsinne nicht mehr leisten kann. Und dafür nimmt man mal eben den Fans die Freude, die es macht, selbst nach Jahrzehnten noch darüber zu diskutieren, ob ein Ball drin war oder nicht. Das war doch immer ein Heidenspaß.

Was haben wir nun stattdessen bekommen? Gewissheit. Aber Fußball lebt doch von der Dynamik, die durch unklare Situationen erst geschaffen wird. Wenn man sich an einer klinisch reinen Darstellung erfreuen will, gibt es mit Sicherheit passendere Orte als einen Fußballplatz. Es darf nicht sein, dass man den Fußball Finanzinvestoren zuliebe möglichst akkurat vermisst und zuschneidet. Wer sein Geld in eine so volatile Anlage stecken will, soll gefälligst auch mit dem Risiko leben, das durch Fehlentscheidungen droht.

Fakt ist: Die immer weitergehende Reglementierung zerstört die Seele des Fußballs.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Smartphones verblöden

Smartphones verblöden. Dieser Satz scheint heutzutage allgegenwärtig zu sein. Jeder Hobbysoziologe hat bereits mindestens einmal festgestellt, dass die "junge Generation" die Smartphonesucht über jegliche interpersonelle Aktivität stellt. Das Problem dabei: hier werden sämtliche Argumente in einen Topf geschmissen. Ich würde gerne einmal aufräumen.

Als Argument wird gerne aufgeführt, dass in der Öffentlichkeit jeder auf sein Handy starrt und lieber Spiele spielt als sich mit seinen Mitmenschen zu unterhalten. Hier kommen gleich zwei Fehler in der Argumentation zusammen: Zum einen die Unterstellung es würden ständig Spiele gespielt und zum anderen das Argument, dass im Gegensatz zu früher die Leute nicht mehr miteinander sprechen.

Erstens: Man ist häufig mit dem Handy beschäftigt, weil man buchstäblich alles damit machen kann. Zeitung lesen, mit Freunden die Abendplanung organisieren, sich nach dem Befinden der Liebsten erkundigen, Dinge einkaufen, Fakten nachschlagen oder eben Spiele spielen. Dass Fluffy Bird auf Dauer den IQ nicht steigert, ist eine Hypothese die man vielleicht sogar belegen könnte. Mehr lässt sich daraus aber nicht ablesen. Genauso wenig gilt das aber fürs aus-dem-Fenster-Schauen oder beim sich-von-dem-Betrunken-über-die-dämlichen-Ausländer-Erzählen-lassen.

Zweitens: Früher war allenfalls das Medium anders. Die Menschen haben in der S-Bahn Zeitung gelesen oder Bücher und sich genauso wenig für die seltsame Frau mit zerzausten Haaren gegenüber interessiert. Und das ist auch voll in Ordnung - eine S-Bahn ist schließlich kein Swingerclub. Wie in einem Fahrstuhl finden sich Menschen zusammen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in die gleiche Richtung müssen und dies aus logistischen Gründen im selben Blechquader tun. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber wo liegt dann das Problem und wo kommt diese aggressive Grundstimmung gegenüber unserer neuen, vernetzten Generation her? Ich denke daher, dass Vielen inzwischen, aus welchen Gründen auch immer, grundlegende Höflichkeitsregeln abhanden gekommen sind; und das wird bei der Nutzung elektronischer Geräte oft besonders deutlich. Beispiel: Wir befinden uns im Jahr 1998. Vier Freunde gehen zusammen zum Essen und sitzen am Tisch. Während Person A sich gerade mit Person B unterhalten will, schiebt diese ein: "Ich muss noch schnell nachsehen, wer in meinem Buch der Mörder ist", zieht besagtes Buch aus der Tasche und vertieft sich in die Lektüre. Unhöflich, oder? Deshalb sollte man in einem solchen Fall genauso wenig das Handy zur Hand nehmen.

Natürlich kann es passieren, dass man wirklich gerade eine wichtige Nachricht beantworten oder ein Treffen verschieben muss. Niemand würde einem dies verbieten wollen - aber ein kurzes "Entschuldigung, ich muss kurz etwas klären" hat noch keinen umgebracht.

Donnerstag, 13. Februar 2014

Ideologischer Mais

Bis vor wenigen Tagen war ich noch entschlossener Genfood-Gegner. Jetzt, nach reiflicher Überprüfung der Fakten, bin ich entschlossener Genfoood-Unentschlossener. Wie kams dazu?

Ich habe in einem Kommentar bezüglich der Entscheidung der Europäischen Kommission den Vorwurf gelesen, jegliche Entscheidung, die sich nicht an Fakten, sondern an den Ängsten der Bevölkerung orientiert, sei reine Ideologie. Soso. Was ist damit gemeint? Dazu gleich mehr. Zunächst ein kurzer Exkurs über Vor- und Nachteile des aktuell in der Zulassung befindlichen Genmais.

Positiv sind zu bewerten, dass durch den Einsatz deutlich weniger Pestizide verwendet werden müssen, da der Mais diese selbst produziert und dadurch viel zielgerichteter einsetzt. Ein Biobauer, der bereits Genmais anbaut(e), meinte, das Genmaisfeld sei von (guten) Insekten geradezu überlaufen im Gegensatz zum pestizidbelasteten konventionellen Feld. Durch die Immunität gegen Schädlinge könnte der Ertrag stark erhöht werden. Und letztendlich passiert in der Gentechnik nichts anderes als durch Mutationen in der Natur an sich und auch in der konventionellen Zucht.

Andererseits gibt es zum einen noch viele unverstandene Effekte im Genom. Es gibt nicht das eine "Resistenzgen", das da ist oder nicht. Es gibt aktive Gene, inaktive Gene und viele Kreuzeffekte, an denen mehrere Gene beteiligt sind. Man kann also kaum ausschließen, dass man mehr hineinzüchtet, als man eigentlich haben wollte. Des Weiteren ist der Genmais, einmal in der Welt, kaum wieder herauszubekommen, Stichwort Pollenflug.

Die Entscheidungstheorie lehrt nun vereinfacht gesagt, dass man allen möglichen Zuständen numerische Werte zuweist, die Nutzen und Gefahren messbar machen. Dann rechnet man die Wahrscheinlichkeit für das eintreten unter den verschiedenen Szenarien mit ein und kommt zu einer rationalen Entscheidung.

Aber wer sagt, dass man dem Mais nicht ausversehen eine Genkombination verpasst hat, die ihm bei Mondlicht Beine wachsen lässt und zum blutsaugenden Monstermais macht? Freilich ist das unwahrscheinlich. Aber falls das eintritt, wäre das schon eher unerfreulich. Klar ist das ein stark überzogenes Beispiel, aber es macht das Problem sehr deutlich: wie gewichtet man Risiken, die zwar höchstwahrscheinlich nicht eintreten, aber wenn sie es doch tun, verheerenden Schaden anrichten?

Daher kommen die Ängste in der Bevölkerung. Gepaart mit dem tiefen Misstrauen in die Politik von Brüssel, den Lobbyismus, die Pharma- und Lebensmittelbranche und die diffuse Angst vor Veränderung. Das sind teilweise durchaus sehr rationale Bedenken, auch wenn sie vordergründig konkret mit dem betreffenden Mais 1507 wenig zu tun haben. Ist es nun ideologische Politik, dem Wählerwillen zu entsprechen und den Anbau zu verbieten?

Hier wird das Versagen der Politik deutlich. Auf der einen Seite die Fehlkonstruktion der EU: ein demokratisch legitimiertes Parlament, das in diesem Fall den Wählerwillen durchsetzten will. Und auf der anderen Seite die sogenannte "Elite", die Regierungschefs, die mit "umgekehrter qualifizierter Mehrheit" [sic], die de facto eine Minderheit von 17:4 ist, den Anbau beschließen. Lobbyistenverbände der beteiligten Unternehmen natürlich sind hocherfreut.

Was wäre bessere Politik?

Wenn die Entscheidung pro Genmais wirklich so rational ist (was durchaus sein mag, ich maße mir inzwischen kein Urteil mehr zu), dann hat sich ein Politiker der Presse zu stellen und der Bevölkerung Vor- und Nachteile zu erklären, um Vorurteile und Ängste abzubauen anstatt über die Köpfe hinweg zu entscheiden.

Und wenn die Bevölkerung nicht auf rationale Argumente reagiert?

Diese Möglichkeit besteht, ist gar nicht so unwahrscheinlich und bei ihrem Eintreten höchst bedauerlich. ABER: Die Politiker sind Volksvertreter und nicht Volkserziehungsberechtigte. Wenn die Angst (die durch entsprechende Gewichtung der Entscheidungsfunktion durchaus rationalisiert werden kann) zu groß ist, hat sich der Politiker nach dem Souverän, dem Volk, zu richten. Jede politische Gemeinschaft sollte über ihre Sache selbst entscheiden können. Nicht irgendwelche Eliten oder Lobby- und Industrieverbände.